Wider dem Dorfsterben – Heckenbecker Impulse

Die Fraktion DIE LINKE im Kreistag Hildesheim beschäftigt sich als einem der Themenschwerpunkte des XVIII. Kreistags  mit einem Südkreiskonzept und der Frage, wie eine Angleichung der Lebensverhältnisse im Kreis zu ermöglichen ist. Zu einer der Kernfragen dabei, wie der Abwanderung aus dem Südkreis begegnen zu sein kann, holte sich die Fraktion und Gäste nun Anregungen kurz hinter der Kreisgrenze im nördlichsten Northeim – im zu Bad Gandersheim gehörenden Ort Heckenbeck. Einem Dorf von rund 500 Einwohnern, der seit vielen Jahren durch Zuzug überregionale Bekanntheit erlangt hat und auch im NDR porträtiert wurde.

Gemeinsam mit Mitgliedern anderer Fraktionen des Kreistags, darunter Bündnis 90/Die Grünen, CDU und den Unabhängigen sowie Alfred Müller von Hi-Land, liessen sich Joachim Sturm und Lars Leopold von der ehemaligen Dorfvorsteherin Ricarda Polzin gute 90 Minuten durch das Dorf führen und führten einen Dialog darüber, was den Ort für Zuziehende so attraktiv macht und wie sich ein einvernehmliches Miteinander mit den Alteingesessenen einstellt.

„Wir haben einen spannenden und informativen Nachmittag in Heckenbeck erlebt. Als eine Erkenntnis nehmen wir mit, dass es drei Vorraussetzungen bedarf. Als erstes bedarf es einer Offenheit der Eingesessenen und dem Vertrauen aller. Weiterhin zeigt sich, dass konkrete Lebensentwürfe sehr hilfreich sind. Und schlussendlich bedarf es auch wem, der bestimmte das Zusammenleben fördernde Projekte auch mit dem Hut auf voranbringt“, zieht der Fraktionsvorsitzende Joachim Sturm ein begeistertes Resümee der Veranstaltung.

Auch Lars Leopold zeigt sich begeistert, was mit Engagement und Kooperation möglich ist: „Das ein Bioladen von Bad Gandersheim ins kleine Heckenbeck zieht und hier, getragen von seinen Mitgliedern, die Grundversorgung des Orts ermöglicht, hätte ich so nicht erwartet. Das aber auch der Betrieb eine freien Schule als Grund- und Oberschule und eines Kindergartens in einem kleinen Dorf machbar ist, hat mich sprichwörtlich von den Socken gehauen und mich in meiner Ansicht bestärkt, dass wohnortnahe Bildung auch in kleinen Orten möglich ist. Das Sterben staatlicher Schulen auf dem Land bei gleichzeitigem Anstieg privater bzw. freier Schulen sollte uns zu denken geben. Ist unser Bildungssystem mit oftmals großen Klassenstärken und starren Lehrplänen noch zeitgemäß? Unsere Überlegungen sollten dahingehen, wie wohnortnahe Bildung mit kleinen Klassen auch künftig möglich bleibt und an staatlichen Schulen kostenfrei für alle Kinder realisiert werden kann.“

Nicht übernommene Wohnkosten bedeuten fast immer wirkliche Existenznot

Linksfraktion im Kreistag kritisiert hohe Fehlerquote bei Bescheiden des Jobcenters zu Kosten der Unterkunft

Wohnen gehört zu den sozialen Grundrechten. Deshalb ist die Deckung der Wohnkosten bei Hartz-IV-Leistungsberechtigten eine Aufgabe der Jobcenter. Diese wird jedoch zu Lasten der Betroffenen in vielen Fällen nur unzureichend erfüllt. Oftmals müssten sich die Antragstellenden erst wehren, damit die Kosten für ihre Wohnung gedeckt werden.“, kritisiert Lars Leopold, Kreistagsabgeordneter der Hildesheimer LINKEN, und beruft sich dabei auf eine Antwort der Verwaltung auf eine Anfrage seiner Fraktion. Leopold weiter: „Die tatsächlich ausgezahlten Beträge weichen in Teilen enorm vom anerkannten Bedarf an Wohnkosten ab. So wird beispielsweise bei Alleinerziehenden mit zwei Kindern zwar ein durchschnittlicher Bedarf in Höhe von 520,20€/Monat anerkannt, jedoch durchschnittlich nur 373,89€/Monat tatsächlich auch ausgezahlt. Die Differenz müssen die Betroffenen dann aus den ohnehin zu knapp bemessenen Regelleistungen aufbringen. Sprich: Sie müssen nicht erstattete Wohnkosten durch Einschränkungen bei anderen Ausgaben wie etwa beim Essen, Kleidung, sozialer Teilhabe oder Mobilität ausgleichen, um nicht etwa Mietschulden anzuhäufen oder perspektivisch gar aus der Wohnung zu fliegen. So wird die Armut durch HartzIV noch weiter verschärft.

Wohnkosten werden von den Jobcentern nur anerkannt und finanziert, sofern sie ‚angemessen‘ sind. Was im Einzelnen als ‚angemessen‘ gilt, wird von den Kommunen vor Ort selbst festgelegt und ist in den meisten Fällen viel zu niedrig angesetzt. Wenn jetzt bei den Wohnkosten noch tatsächlich weniger ausgezahlt wird als der anerkannte Bedarf, ist das ein nicht hinzunehmendes Unrecht. Das sollten sich Betroffene nicht gefallen lassen und die Bescheide genau prüfen und im Zweifel in Widerspruch gehen“, empfiehlt der LINKEN-Politiker.

Viele Widersprüche gegen Bescheide im ‚Sachbereich Kosten der Unterkunft (KdU)‘ gehen zugunsten der Betroffenen aus. So waren im Januar 2018 beispielsweise 142 Widersprüche im Bestand. In diesem Monat sind 51 Widerspruchsverfahren abgeschlossen worden, bei denen 14 Stattgaben und 7 Teilstattgaben waren. Das sind insgesamt über 40 Prozent der abgeschlossen Widersprüche, die entweder ganz oder zumindest in Teilen zugunsten der Betroffenen entschieden wurden. Der hohe Prozentsatz an erfolgreichen Widersprüchen deutet auf eine enorm hohe Fehlerquote bei Bescheiden des Jobcenter hin. Daran sind aber nicht die Beschäftigten dort schuld, vielmehr läuft systematisch etwas falsch. Das ganze System der Leistungsbewilligung im Hartz IV-Bereich ist extrem anfällig für Fehler und Willkür. Hier besteht wirklich ein Aufklärungs-, Untersuchungs- und Handlungsbedarf, denn wir reden bei Hartz-IV-Betroffenen von Menschen, die kein finanzielles Polster haben. Nicht übernommene Wohnkosten bedeuten deshalb fast immer wirkliche Existenznot. Deshalb muss das Jobcenter verpflichtet werden die tatsächlichen, angemessenen Kosten der Unterkunft zu gewähren, so wie es das geltende Recht verlangt“, fordert Leopold.